Die russische Sberbank hat die Zentralbank des Landes dazu aufgefordert, die Einführung des digitalen Rubels (CBDC) bis mindestens 2026 zu verschieben. Als größtes Finanzinstitut Russlands begründet die Sberbank diese Forderung mit der unzureichenden Vorbereitung vieler Marktteilnehmer sowie den hohen Kosten, die Banken und Einzelhändlern durch die Integration der neuen Technologie entstehen würden.
Warum eine Verschiebung bis 2026 gefordert wird
Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenplattform RBC sieht die Sberbank die Finanzbranche des Landes noch nicht bereit für den digitalen Rubel. Eine ihrer Hauptkritiken ist, dass Banken und Einzelhändler erhebliche Ausgaben in Milliardenhöhe tätigen müssten, um die Infrastruktur für die Einführung der staatlichen digitalen Währung zu schaffen. Außerdem seien bislang nicht genügend kompatible IT-Lösungen entwickelt worden, um die reibungslose Integration der digitalen Währung in bestehende Systeme sicherzustellen.
Ein Sprecher der Sberbank erklärte, dass die Zentralbank Russlands die Plattform für den digitalen Rubel noch immer aktiv teste und grundlegende Änderungen daran vorgenommen würden. Diese Entwicklungs- und Testphase wirft Zweifel auf, ob die bisherigen ehrgeizigen Pläne, die Währung bis Ende 2025 landesweit auszurollen, realisierbar sind.
„Die Plattform für den digitalen Rubel befindet sich noch in einem aktiven Entwicklungsprozess. Viele Banken halten es für realistischer, den Launchtermin auf frühestens 2026 zu verschieben,“ äußerte sich der Sprecher der Sberbank kritisch zu den bestehenden Plänen.
Kostenintensive Herausforderungen für Banken und Einzelhandel
Die Einführung des digitalen Rubels bringt laut Finanzexperten enorme Belastungen für russische Kreditinstitute mit sich. Neben technischen Implementierungen und der Integration neuer Systeme müssen auch Schulungen für das Personal durchgeführt und Anpassungen in Prozessen vorgenommen werden. Zusätzlich stehen Einzelhändler vor der Herausforderung, neue Zahlungslösungen einzuführen, um den digitalen Rubel in einem flächendeckenden Zahlungssystem zu unterstützen.
Laut Sberbank ist es daher notwendig, den betroffenen Institutionen mehr Zeit zu geben, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Die Bank fordert, dass kleinere Akteure im Finanzsektor standardisierte Lösungen von der staatlichen Zentralbank erhalten sollten, um ihre Kosten und die Komplexität der Integration zu minimieren.
Wie realistisch ist der bisherige Zeitplan?
Die russische Zentralbank hat bereits mehrfach betont, dass sie die Einführung des digitalen Rubels bis Ende 2025 anstrebe. Dadurch soll nicht nur das heimische Zahlungssystem modernisiert, sondern auch die Abhängigkeit von traditionellen westlichen Finanzsystemen im Zuge der internationalen Sanktionen reduziert werden. Dieses Vorhaben ist ein zentraler Bestandteil von Russlands De-Dollarisierungsstrategie und einer engeren wirtschaftlichen Kooperation mit BRICS-Staaten.
Allerdings mehren sich die Stimmen, die den ambitionierten Zeitplan infrage stellen. Die Sberbank war beispielsweise nicht Teil der ersten Pilotphase des digitalen Rubels im Jahr 2023 und startete erst im vergangenen Jahr ihre eigenen Tests. Darüber hinaus haben kleinere Banken laut dem Bericht von RBC um Unterstützung in technischen und finanziellen Angelegenheiten gebeten – ein Indiz dafür, dass die Branche insgesamt Probleme hat, den neuen Anforderungen nachzukommen.
Ein Sprecher der VTB, einer weiteren großen russischen Bank, gab jedoch an, dass das Unternehmen „technologisch bereit“ sei, den digitalen Rubel schon im ersten Quartal 2025 einzuführen. Auch andere Banken wie Promsvyazbank oder Sovcombank signalisierten, dass sie innerhalb der vorgegebenen Frist handlungsfähig seien. Diese optimistischen Einschätzungen stehen jedoch im Widerspruch zu den Forderungen der Sberbank.
Schritte der Gesetzgebung und Regulierungsbehörden
Die Zentralbank arbeitet eng mit dem russischen Parlament, der Duma, zusammen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung der digitalen Währung zu schaffen. Anatoly Aksakov, Vorsitzender des Ausschusses für Finanzmärkte der Duma, hat angekündigt, dass ein Gesetzentwurf möglicherweise schon im ersten Quartal 2025 verabschiedet werden könnte. Dieser soll systemrelevanten Kreditinstituten vorschreiben, bis zum 1. Juli 2025 bereit zu sein, Transaktionen mit dem digitalen Rubel abzuwickeln. Dazu gehören Großbanken wie die Sberbank, VTB, Alfa-Bank und Gazprombank.
Mittelgroße Banken sollen ein zusätzliches Jahr für die Implementierung erhalten, während kleinere Finanzdienstleister sogar bis 2027 Zeit haben könnten. Ähnlich verhält es sich bei Einzelhändlern: Große Handelsunternehmen müssen den digitalen Rubel bis 2025 akzeptieren, während kleinere Unternehmen bis spätestens Mitte 2027 folgen sollen.
Wirtschaftliche und technische Hürden
Neben den technologischen Herausforderungen gibt es weitere Faktoren, die den geplanten Zeitplan erschweren könnten. Anastasia Kalugina, Direktorin der Digital Finance Group beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Kept, wies darauf hin, dass viele Banken noch weit von einer vollständigen technischen Integration entfernt seien. Zudem seien zusätzliche IT-Investitionen notwendig, um Systeme mit der digitalen Rubel-Plattform kompatibel zu machen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der rechtliche Rahmen: Es müssen Maßnahmen zur Datensicherheit und zur Verhinderung von Geldwäsche ergriffen werden. Darüber hinaus müsse die öffentliche Wahrnehmung gezielt verbessert werden, um Vertrauen in das neue Finanzinstrument zu schaffen. Kalugina sieht es als sinnvoll an, die Einführung des digitalen Rubels zu verzögern, um ausreichend Zeit für diese Vorbereitungen zu haben.
„Das Verschieben der Deadline um ein oder zwei Jahre ist vernünftig, sofern aktiv an der Beseitigung der bestehenden Risiken gearbeitet wird. Dies würde allen Marktteilnehmern ermöglichen, sich besser vorzubereiten und mögliche Probleme zu eliminieren,“ erklärte Kalugina.
Wo steht Russland im Rennen um digitale Zentralbankwährungen?
Im internationalen Vergleich zählt Russland zu den führenden Nationen bei der Entwicklung von CBDCs. Die Zentralbank verfolgt eine aggressive Strategie in Bezug auf die Einführung des digitalen Rubels und könnte die Währung möglicherweise sogar vor Chinas digitalem Yuan flächendeckend einführen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann oder ob die durch Sberbank und andere Institutionen geäußerten Bedenken eine Verzögerung unumgänglich machen.
Die künftige Entwicklung des digitalen Rubels wird entscheidend sein, um die Weichen für Russlands wirtschaftliche Modernisierung und seine Unabhängigkeit vom westlichen Finanzsystem zu stellen. Doch sowohl technische als auch soziale Hürden könnten den Prozess verlängern – ein Szenario, das die russische Zentralbank in ihren weiteren Planungen berücksichtigen sollte.
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