Der scheidende Vorsitzende der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC, Gary Gensler, hat erneut seine kritische Einstellung gegenüber der Kryptowährungsbranche zum Ausdruck gebracht. In einem kürzlichen Interview betonte Gensler, dass er keine andere Industrie kenne, die stärker von Stimmungen als von wirtschaftlichen Fundamentaldaten getrieben werde. Diese Einschätzung teilte er im Rahmen eines Bloomberg-Interviews und prognostizierte, dass viele Krypto-Projekte in naher Zukunft scheitern könnten.
Seine Aussagen werfen erneut ein Schlaglicht auf die Regulation in diesem Bereich und unterstreichen die Notwendigkeit, die Regeln für Altcoins und Krypto-Vermittler zu verschärfen. Laut Gensler mangelt es in der Branche noch immer an ausreichender Transparenz und Informationsbereitstellung für Alltagsinvestoren, was erheblichen Risiken Vorschub leisten könnte.
SEC unter Gensler: Mehr als 100 Durchsetzungsmaßnahmen gegen Krypto
Während seiner Amtszeit hat Gensler die Regulierung des Kryptomarktes stark intensiviert. Seit dem Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 2021 leitete er über 100 Durchsetzungsmaßnahmen gegen die Industrie ein. Damit übertraf er die Bilanz seines Vorgängers Jay Clayton, der während der Trump-Administration rund 80 ähnliche Aktionen durchgeführt hatte. Clayton hinterließ mit der Klage gegen Ripple Labs, in der XRP-Token als nicht registrierte Wertpapiere eingestuft wurden, eines der aufsehenerregendsten Verfahren in der Geschichte der SEC.
Genslers Ansatz wird oft als „Regulation durch Durchsetzung“ bezeichnet, ein Modell, das vor allem durch rechtliche Schritte versucht, Klarheit über die regulatorische Einordnung von Kryptowährungen zu schaffen. Dies führte zu hochkarätigen Maßnahmen gegen führende Krypto-Plattformen wie Coinbase und Binance. Beide Börsen wurden der Führung nicht registrierter Wertpapiermärkte beschuldigt. Gegner dieses Ansatzes kritisieren ihn jedoch als übermäßig aggressiv und wenig innovationsfördernd.
Warnungen vor systemischen Risiken und fehlender Compliance
Seit seinem Amtsantritt hat Gensler die Kryptowelt immer wieder als anfällig für Betrug, Manipulation und Missbrauch beschrieben. In seinen Reden verglich er den heutigen Kryptomarkt häufig mit den 1920er-Jahren an der Wall Street, einer Zeit geprägt von Scheinfirmen, Ponzi-Systemen und massiven Marktmanipulationen. Die fehlende Einhaltung von Wertpapiergesetzen sowie wiederholte Insolvenzfälle in der Branche seien alarmierend und unterstrichen den dringenden Bedarf an stärkerer Kontrolle.
Besonders problematisch sind laut Gensler die zahllosen Altcoins, die seiner Meinung nach als Wertpapiere klassifiziert werden könnten, sowie der Mangel an klaren Offenlegungen gegenüber Verbrauchern. „Ohne entsprechende Regulierung wird das Risiko für Kleinanleger weiterhin bestehen“, so Gensler. Zudem hat er mehrfach betont, dass die meisten Krypto-Token heutzutage aufgrund ihres Aufbaus regulatorisch als Wertpapiere betrachtet werden sollten.
Die Kritik an Genslers scharfem Ansatz kommt zunehmend auch aus der Krypto-Community selbst, die sich über mangelnde regulatorische Klarheit und überbordende rechtliche Risiken beschwert. Dennoch sieht sich Gensler weiterhin als Verfechter der Anlegerinteressen, indem er Forderungen nach umfassender Compliance mit bestehenden Wertpapiergesetzen aufstellt.
Ausblick: Wechsel an der SEC-Spitze und potenzielle Veränderungen
Am 20. Januar 2025 wird Gary Gensler offiziell von seinem Posten als SEC-Vorsitzender zurücktreten. Diese Entscheidung fällt zeitlich mit der Amtseinführung von Präsident Donald Trump zusammen. Trumps Administration plant einen Richtungswechsel in der SEC unter der Leitung von Paul Atkins, einem früheren SEC-Kommissar mit pro-Krypto-Haltung.
Atkins gilt als Befürworter eines weniger strengen und transparenzfreundlicheren regulatorischen Ansatzes. Er ist bekannt für seine Rolle in der Token Alliance, einer Lobbyorganisation für Blockchain-Technologie, und das Advisory Board der Chamber of Digital Commerce. Befürworter der Kryptoindustrie hoffen, dass Atkins’ Führung zu klareren und innovationsfreundlicheren Regeln führen wird.
Sein Mandat könnte eine Abkehr von der aggressiven Durchsetzungsstrategie bedeuten. Stattdessen könnte die SEC unter Atkins verstärkt auf Richtlinien setzen, die darauf abzielen, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und Förderung von Innovation zu schaffen. „Die Zukunft der Branche hängt davon ab, wie sie reguliert wird,“ sagte Atkins kürzlich.
Ein polarisierendes Vermächtnis
Die Bilanz von Gary Genslers Führung bleibt umstritten. Befürworter seiner harten Haltung argumentieren, dass seine Maßnahmen notwendig gewesen seien, um Wildwuchs im Kryptobereich einzudämmen und Anleger zu schützen. Kritiker hingegen werfen ihm vor, Innovationen behindert und ein Klima der Unsicherheit geschaffen zu haben.
In einer der letzten Erklärungen zu seiner Arbeit äußerte sich Gensler dennoch positiv über seine Zeit bei der SEC: „Es war eine Ehre meines Lebens, zum Schutz unserer Kapitalmärkte beizutragen.“ Er rief die Kryptoindustrie dazu auf, den Dialog mit Regulierungsbehörden zu suchen und sich stärker an bestehende Gesetze zu halten.
Mit dem bevorstehenden Führungswechsel in der SEC könnte der Kryptomarkt auf ein völlig neues Regulierungsparadigma zusteuern. Während einige dies als Chance für eine Renaissance der Branche sehen, bleibt dennoch eine grundlegende Frage offen: Wie balanciert man Verbraucher- und Anlegerschutz mit unternehmerischer Freiheit und Innovationsfähigkeit? Die kommenden Jahre dürften entscheidend dafür sein, wie sich die Zukunft der Kryptowährungen gestalten wird.
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