Die sibirische Energieversorgerfirma Irkutsk Energosbyt hat angekündigt, rechtliche Schritte gegen rund 400 vermeintlich „illegale“ Krypto-Miner einzuleiten. Nach eigenen Angaben haben diese Miner in der Region Strom im Wert von insgesamt 6,3 Millionen US-Dollar aus dem Netz entwendet. Die Situation verdeutlicht einmal mehr das Konfliktpotenzial zwischen Krypto-Mining und der Stromversorgung in beliebten Mining-Regionen wie Sibirien.
Die Herausforderungen des „grauen“ Krypto-Mining
Laut einem Bericht hat Irkutsk Energosbyt in den letzten fünf Jahren insgesamt 2.113 Klagen gegen Privatpersonen eingereicht, die ihre Mining-Aktivitäten illegal betreiben. Diese sogenannten „grauen“ Miner verwenden Strom aus subventionierten Quellen, der eigentlich für Haushaltszwecke vorgesehen ist, um ihre Mining-Geräte zu betreiben. Das Unternehmen betont, dass diese Geräte oft an ungeeigneten Orten wie Garagen, Privathäusern, Balkonen oder Schrebergärten betrieben werden.
Das Hauptproblem bei dieser Praxis ist die übermäßige Belastung der Stromnetze. Die leistungsstarken Mining-Geräte ziehen erheblich mehr Energie als typische Haushaltsgeräte, was zu Überlastungen und sogar zu Unfällen führen kann. Solche Vorfälle gefährden nicht nur die Stromversorgung der Region, sondern erhöhen auch das Risiko von Netzausfällen.
Rechtliche Schritte und Widerstand der Angeklagten
Irkutsk Energosbyt hat in seiner rechtlichen Offensive bereits Erfolge erzielt. Bis zum 1. Januar 2025 haben Gerichte in 1.348 Fällen zugunsten des Unternehmens entschieden. Weitere 400 Klagen sind derzeit in Vorbereitung, während 104 Fälle außergerichtlich durch Vergleiche beigelegt wurden.
Allerdings begegnet das Unternehmen vor Gericht oft kreativen Ausreden der Angeklagten. Einige behaupten, die erhöhte Stromnutzung sei nicht auf Krypto-Mining, sondern auf andere Aktivitäten zurückzuführen. Ein Angeklagter erklärte beispielsweise, er habe zehn Heizgebläse in einem 20-Quadratmeter-Zimmer betrieben, weil er warme Temperaturen bevorzuge. Ein anderer gab an, er nutze einen Kessel rund um die Uhr, um ein künstliches Becken mit destilliertem Wasser zu versorgen. Solche Behauptungen stellen die Justiz vor die Herausforderung, die tatsächliche Nutzung der Elektrizität nachzuweisen und unrechtmäßiges Verhalten eindeutig zu identifizieren.
Das Problem der Subventionierten Stromtarife
Ein zentraler Aspekt des Problems liegt in der Nutzung von subventioniertem Strom, der normalerweise für Haushalte, nicht jedoch für gewerbliche Aktivitäten gedacht ist. In der Irkutsk-Region sind die Strompreise besonders niedrig, was sie für Krypto-Miner äußerst attraktiv macht. Gleichzeitig bietet das kalte sibirische Klima zusätzliche Vorteile, da die kühlen Temperaturen helfen, die Hitze abzuführen, die durch Mining-Geräte erzeugt wird.
Allerdings haben die Popularität der Region und die steigende Anzahl von Minern in den vergangenen Jahren zu ernsthaften Herausforderungen für die lokale Energieinfrastruktur geführt. Berichte von Stromausfällen und überlasteten Netzen häufen sich, was zusätzliche Kosten für Reparaturen und den Ausbau des Stromnetzes verursacht. Zudem fühlen sich andere Stromverbraucher, insbesondere private Haushalte, durch die übermäßige Nutzung der „grauen“ Miner benachteiligt.
Gesetzgebung als Lösungsansatz
Um das Problem anzugehen, haben russische Gesetzgeber und Energieversorger Maßnahmen ergriffen. Im Dezember 2024 schlugen Mitglieder der Duma ein Gesetz vor, das Krypto-Minern den Zugang zu subventioniertem Strom verwehren soll. Während das Mining in vielen Teilen Russlands, einschließlich des südlichen Irkutsk, während der Wintermonate verboten ist, bleibt es in anderen Regionen legal – vorausgesetzt, der Stromverbrauch übersteigt nicht 6.000 kWh pro Monat.
Dennoch bleibt die Durchsetzung solcher Regelungen schwierig, insbesondere in abgelegenen Regionen. Graue Miner nutzen oft Schlupflöcher in den Gesetzen oder verschleiern ihre Aktivität, um Strafverfolgung zu vermeiden. Diese Situation unterstreicht die Notwendigkeit effektiverer Maßnahmen zur Regulierung von Krypto-Mining in Russland.
Die wachsende Nachfrage nach industriellem Mining
Während private Miner im Fokus der rechtlichen Auseinandersetzungen stehen, wächst das Interesse an industriellem Mining in Russland weiter. Laut Sergey Bezdelov, dem Leiter der Industrial Mining Association, hat die Nachfrage nach industrieller Mining-Ausrüstung und Dienstleistungen im vierten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um das Dreifache zugenommen. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass immer mehr minerfreundliche Standorte in Russland entstehen, die die rechtlichen Rahmenbedingungen besser einhalten.
Industrielle Mining-Betriebe können durch zentrale Stromzähler und standardisierte Verträge viel einfacher reguliert werden als private Betreiber, die oft in Wohngebieten tätig sind. Dies könnte ein Weg sein, das Konfliktpotenzial zu entschärfen und die Belastung der lokalen Stromnetze zu reduzieren.
Fazit
Die Auseinandersetzungen zwischen der sibirischen Energieversorgerfirma Irkutsk Energosbyt und privaten Krypto-Minern spiegeln ein umfassenderes Problem wider: den Balanceakt zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen des Krypto-Minings und dessen Auswirkungen auf die Infrastruktur. Während die Region Irkutsk vom internationalen Mining-Boom profitiert, steht sie zugleich vor gravierenden Herausforderungen durch illegale Praktiken und Netzüberlastungen.
Die laufenden rechtlichen Schritte und Gesetzesvorschläge zeigen, dass russische Behörden und Unternehmen aktiv nach Lösungen suchen. Ob diese Maßnahmen langfristig ausreichen, um den Wildwuchs im privaten Krypto-Mining einzudämmen, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass ein Gleichgewicht gefunden werden muss, das sowohl wirtschaftliche Interessen als auch die Versorgungssicherheit der Bevölkerung berücksichtigt.
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